Im Rahmen der jüngsten Sitzung des Neuwieder
Kreistages erhielten die Mitglieder des Gremiums auch aufschlussreiche
Einblicke in die Trends und Entwicklungen der Kinder- und Jugendhilfe im
Kreisjugendamtsbezirk Neuwied während der zurückliegenden Wahlperiode. Für die
entsprechenden Darlegungen war eigens Heinz Müller, Geschäftsführer des ISM-
Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz, in die Aula der
David-Roentgen-Schule gekommen. „Das Kreisjugendamt Neuwied nimmt seit dem Jahr
2002 an dem landesweiten Projekt `Qualitätsentwicklung durch Berichtswesen´ in
der Jugendhilfe teil. Auf der Grundlage dieser gesammelten Daten lassen sich
die Entwicklungen und Herausforderungen für die Jugendhilfe im Kreis Neuwied ableiten“,
erläutert Landrat Achim Hallerbach.
So wurde die Kinder- und Jugendhilfe während der vergangenen Wahlperiode mit vielfältigen gesellschaftlichen Entwicklungen, aber auch gesetzlichen Neuerungen, konfrontiert. Als Beispiele führte Landrat Achim Hallerbach in diesem Zusammenhang die nach wie vor sozialen Folgen der Corona-Pandemie sowie die des anhaltenden Ukraine-Krieges mit den daraus resultierenden Fluchtbewegungen insbesondere junger Menschen und Kinder an. Vom Mainzer Institutsleiter Heinz Müller wurden wiederum die ungebrochen hohen Zahlen an unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (umA) und fehlende Unterbringungsmöglichkeiten als Einflussfaktoren genannt.
Zusätzlich beschrieb der Fachmann den Handlungsdruck für die Jugendhilfe hinsichtlich der Umsetzungsanforderungen für gesetzliche Neuerungen. Dazu zählen das KitaG, das GaföG und die KJSG Umsetzung ebenso wie die Vormundschaftsreform oder die Vorbereitungen auf die inklusive Kinder- und Jugendhilfe, die auch im Kreisjugendamt Neuwied organisatorische und personelle Ressourcen gebunden haben.
„Gesellschaftliche Wandlungsprozesse erfordern auch Transformationsprozesse in der Kinder- und Jugendhilfe, die aktiv durch den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe gestaltet werden müssen. Insofern entwickeln sich Jugendämter immer mehr zu Transformationsagenturen für den gesellschaftlichen Wandel“, lautet die Schlussfolgerung des ISM-Geschäftsführers auch mit dem Blick auf die nüchternen Zahlen.
Die Kinder- und Jugendhilfe ist mit insgesamt rund 62 Milliarden Euro (Stand 2021) der drittgrößte Sozialleistungsbereich in Deutschland; die Finanzierung erfolgt zu 80 Prozent kommunal. Im Jahresverlauf sind die Ausgaben seit 2010 kontinuierlich angestiegen; bedingt durch den stetigen Ausbau des Betreuungsangebotes ist die Kindertagesbetreuung größter Ausgabenbereich gefolgt von den Hilfen zur Erziehung.
Im Hinblick auf die soziodemographischen Rahmenbedingungen konnte Heinz Müller dem Kreisjugendamts-Bezirk Neuwied eine positive Entwicklung des Bevölkerungssaldos in den letzten Jahren attestieren. Allein zwischen 2019 und 2022 ist es zu einem Bevölkerungswachstum um 2,9 Prozent gekommen, wobei der positive Saldo insbesondere aus den Zuzügen vieler junger Familien in den Kreis resultierte.
„Je höher der Sozialgeldbezug von unter 15-Jährigen in einem Jugendamtsbezirk ist, desto höher fallen die bevölkerungsrelativierten Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung aus“, wies Heinz Müller ebenfalls auf die Relevanz von Armut für die Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung hin. Nach Angaben des Mainzer Experten lag der Anteil des Landkreises Neuwied beim Sozialgeldbezug der unter 15-Jährigen im Jahr 2022 knapp unter dem Durchschnitt der rheinland-pfälzischen Landkreise und ist im Vergleich zu 2019 nochmals leicht gesunken. Dementsprechend zeigte sich auch im Kreisjugendamtsbezirk Neuwied wie für ganz Rheinland-Pfalz zwischen 2019 und 2022 ein leichter Rückgang der Gewährung von Hilfen zur Erziehung um 2,4 Prozent. Trotzdem führt sich der Trend fort, dass mit einem großen Abstand zu den weiteren Hilfesegmenten am meisten ambulante Hilfen gewährt werden – für den Diplom-Pädagogen Heinz Müller ein Indiz dafür, dass im Landkreis Neuwied in hohem Umfang mit familienerhaltenden Hilfen gearbeitet wird.
„Trotz angespannter Fachkräftesituation auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Personalausstattung in den Sozialen Diensten in den letzten Jahren positiv und adäquat entwickelt. Hier zeigt sich im Kreisjugendamt Neuwied eine erfolgreiche Personalgewinnung und effiziente Personalsteuerung, um der Bearbeitung des Fallaufkommens gerecht zu werden“, bescheinigt Heinz Müller dem Kreisjugendamt Neuwied eine bemerkenswert gute Arbeit.
Bestätigt wird diese Feststellung auch mit Blick auf die Kostenentwicklung für die Hilfen zur Erziehung (HzE):
„Hier zeigt sich eine positive Tendenz im Laufe der letzten Jahre, da sich die Pro-Kopf Auszahlungen der HzE pro Kopf/ Kind unter 21 Jahre seit 2019 auf einem stabilen Niveau bewegen und nicht merklich angestiegen sind. Während landesweit die Kosten seit 2021 um 1,5 Prozent in die Höhe gegangen sind, zeigt sich im Kreisjugendamt Neuwied ein umgekehrter Trend mit einem Rückgang um 0,5 Prozent“, erläutert der zuständige Kreisjugendamts-Referatsleiter Uwe Kukla. Abzuwarten bleibt, wie sich die zusätzlichen Aufgaben und die steigenden Fallzahlen in der Kostenentwicklung in den nächsten Jahren niederschlagen werden.
„Vorausschauend haben wir im Kreis schon frühzeitig unser ganzheitliches, strategisches Konzept `PIK´ (Prävention, Intervention, Kommunikation) entwickelt, um den gesetzlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Anforderungen auf mehreren Ebenen zu begegnen. Es ist halt einfach notwendig, effiziente Strukturen gerade auch in der Jugendhilfe vorzuhalten, durch die auf gesellschaftliche Entwicklungen und daraus resultierende Herausforderungen zügig reagiert werden kann. Die gute Arbeit, die unserem Kreisjugendamt offiziell bescheinigt wird, ist für uns Ansporn, in unserem motivierten Wirken nicht nachzulassen“, dankte Landrat Achim Hallerbach abschließend dem Leiter des Instituts für sozialpädagogische Forschung in Mainz für dessen fachliche Ausführungen und den Kolleginnen und Kollegen vor Ort für deren Engagement.