Neuwieder Kreisverwaltung bereitet sich auf potenzielle Gaskrise vor

Koordinierungsgruppe Stab gebildet – Sparappell: Jede heute gesparte Kilowattstunde Energie kann sehr wertvoll werden

Ist die Turbine nur ein Vorwand? Dreht Putin den Hahn bald ganz zu? Oder wird das Gas demnächst wieder „wie immer“ durch die Pipelines laufen? Diese Fragen zu beantworten, wäre reine Spekulation. Klar aber ist: Kommt zu wenig oder gar kein Gas mehr aus Russland, wird das zumindest im kommenden Winter in Deutschland spürbare Folgen haben. „Et hätt noch emmer joot jejange“?: Das wäre fahrlässig. Die Gefahr ist real! Vorbereitet zu sein, frühzeitig zu reagieren, ist stattdessen das Gebot der Stunde. Denn klar ist auch: Ein geordnetes Krisenmanagement erspart im Ernstfall nicht nur viele Probleme, auch jede heute schon – bei warmem Wetter - gesparte Kilowattstunde Energie kann dann sehr, sehr wertvoll sein.

Foto: Der Kreis Neuwied will vorbereitet sein: Deshalb hat Landrat Achim Hallerbach (2. von rechts) die Leiter der einzelnen Abteilungen des Kreishauses zusammengerufen, um in Sachen „Gas-Mangellage“ die Krisen-Vorsorge aufzunehmen. Schlüsselrollen nehmen dabei (von links) Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Holger Kurz, Dominik Thier als Leiter der „Koordinierungsgruppe Stab“ (KGS) und Ordnungsamtschef Frank Laupichler ein. Das Foto stammt von der zweiten Sitzung. Der Kreis Neuwied will vorbereitet sein: Deshalb hat Landrat Achim Hallerbach bereits in der vorletzten Woche die Leiter der einzelnen Abteilungen des Kreishauses zusammengerufen, um in Sachen „Gas-Mangellage“ die Krisen-Vorsorge aufzunehmen. „Es ist noch kein Krisenstab, sondern es geht erst einmal darum, alle Informationen zusammenzutragen und Struktur hereinzubringen“, begründete er und machte deutlich, dass keinesfalls Panik geschürt werden soll. „Aber wir müssen auch die Worst-Case-Szenarien besprechen. Das kann viel Arbeit für die Schublade sein, aber wir können im Fall der Fälle in Situationen kommen, die wir alle nicht kennen“, machte der Landrat deutlich. 

Das bestätigten Geschäftsfeldleiter Thomas Endres von den Stadtwerken (SWN), Johannes Schardt (Syna) und Peter Hehl (Energienetze Mittelrhein), die in der Sitzung die aktuelle Lage aus Sicht der Versorger darstellten und verschiedene mögliche Entwicklungen skizzierten. „Noch haben wir genug Zeit, aber wir müssen die Kette bis zum Ende denken – alles in der Hoffnung, dass es nicht so weit kommt“, hielt Endres fest und warb ebenfalls dafür, jetzt zu sparen: „Besser kratzen, bevor es juckt“, kommentierte er – auch im Hinblick auf die kommenden Abrechnungen. Großkunden hätten vor allem wegen der stark gestiegenen Preise schon begonnen, ihre Produktionsprozesse so umzustellen, dass sie bis zu 25 Prozent weniger verbrauchen, berichtete er. Apropos Kosten: Peter Hehl machte deutlich, dass es auch unter diesem Aspekt keine Option sein wird, bei der Wärmeerzeugung Gas durch Strom zu ersetzen. „Der Preis ist immer noch doppelt so hoch“, erklärte der Fachmann.

Auch der Kreis Neuwied hat für seine Immobilien Energiesparmaßnahmen geprüft und umgesetzt. „Wir würden uns wünschen, wenn uns Bund und Land eine abgestimmte Richtlinie zur Hand geben würde, damit es auch hier ein flächendeckendes, einheitliches Vorgehen gibt,“ fordert der Landrat, der ansonsten zeitraubende Diskussionen und Unsicherheiten befürchtet - zum Beispiel bei den Themen Hygiene und Gesundheitsschutz (Legionellenbildung).

Für die Kreisverwaltung geht es zudem darum, auch in einer Mangellage arbeitsfähig zu bleiben, machte Landrat Achim Hallerbach deutlich. Darüber hinaus müsse man einen genauen Überblick bekommen. Alle Abteilungsleiter sind daher aufgefordert, in ihren Zuständigkeitsbereichen abzufragen, wer welche Energieform nutzt, wer alternative Optionen hat, wie Einsparungen vorgenommen werden können und einiges mehr. „Wir brauchen jetzt einen Überblick wie Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kitas und soziale Einrichtungen versorgungstechnisch aufgestellt sind. Eine Gasmangellage kann im schlimmsten Fall auch zu einer Überlastung des Stromnetzes und damit zu einem längeren Stromausfall führen. „Sollte diese Lage eintreten, dann müssen Notfallszenarien vorliegen“, unterstrich Landrat Achim Hallerbach. Diese Informationen sollen in der neu einberufenen „Koordinierungsgruppe Stab“ (KGS) unter Leitung von Dominik Thier (Brand- und Katastrophenschutz) zusammenlaufen und aufgearbeitet werden.

Hallerbach machte dabei aber auch deutlich, dass das die verschiedenen Einrichtungen und Institutionen nicht davon befreit, ihrerseits Pläne für die unterschiedlichen Szenarien zu entwickeln. „Wenn es zu einer Mangellage im Gas- oder Strombereich kommt, werden sie sich selbst helfen müssen. Die Eigenvorsorge steht an erster Stelle. Das können wir nicht zentral übernehmen. Weder die Kommunen noch die Hilfsorganisationen haben ausreichend Notstromaggregate, um jeden Ausfall aufzufangen“, betonte er. Schwerpunkt sei die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur. Ähnlich habe er auch die Bürgermeister der Verbandsgemeinden in der jüngsten Dienstbesprechung sensibilisiert, sich auf eine mögliche Mangellage bei Gas und Strom vorzubereiten. Dort müssten die Fäden zusammenlaufen und Zuständigkeiten festgelegt werden. Ein weiterer Punkt sei die frühzeitige Einbindung von ehrenamtlichen Strukturen vor Ort. „Corona hat uns gezeigt, dass wir auf ein hervorragendes bürgerschaftliches Netzwerk zurückgreifen können,“ hielt der Landrat fest.

Abschließend machte der Landrat auch den eigenen Mitarbeitern Mut: „Ja, ich weiß. Zwei Jahre Corona, Ahrflut, Ukraine-Flüchtlinge, jetzt eine mögliche Gasmangellage: Wir beschäftigen uns seit zweieinhalb Jahren mit Krisenmanagement und bereiten uns parallel schon wieder auf Corona im Herbst vor. Die Kollegen sind erschöpft, die Überstundenkonten voll. Diese Aufgabe ist schwierig. Aber in den jüngsten Krisen haben wir auch bewiesen, dass wir eng zusammenstehen. Wir haben eine hervorragende Verwaltung, ein tolles Team, auf unsere Kolleginnen und Kollegen kann ich mich verlassen“, betonte Landrat Achim Hallerbach.


Auf Krisen vorbereitet sein

In Krisensituationen helfen die öffentlichen Einrichtungen nach Kräften, die Menschen müssen sich aber auch selbst helfen. Deshalb rät das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dass sich die Bürger generell auf Notfälle der verschiedenen Arten vorbereiten. Dazu gehört, dass eine gut ausgestattete Hausapotheke vorhanden sein sollte. „Achten Sie darauf, Ihren Vorrat an wichtigen Medikamenten oder Verbandsmaterialien aufzufüllen, bevor er verbraucht ist. Achten Sie auch auf die richtige Lagerung“, betont das BBK. Ähnlich wichtig ist es, einen gewissen Vorrat an Lebensmitteln im Haus zu haben. Dieser sollte so groß sein, dass sich mit ihm im Notfall ein Zeitraum von 10 Tagen überbrücken lässt. Hygieneprodukte wie Seife, Waschmittel und Zahnpasta sollten ebenfalls in ausreichendem Maße vorhanden sein.

„Krisen geschehen, aber doch nicht in Deutschland: Das haben wir alle für eine lange Zeit gedacht. Aber das ist leider nicht richtig. Wir müssen uns vorbereiten. Das Bundesamt für Katastrophenschutz hat auf seinen Internetseiten viele Informationen zusammengestellt und Checklisten zur Vorsorge erstellt. Bitte informieren Sie sich“, appelliert Landrat Achim Hallerbach.

-> Mehr Informationen zur allgemeinen Krisenvorsorge finden Sie unter www.bbk.bund.de

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